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TierEthik

Eines meiner Herzensthemen ist der menschliche Umgang mit nicht-menschlichen Tieren. Aus der philosophischen Perspektive gehe ich u.a. der Frage nach, inwiefern sich unser Umgang mit Tieren rational rechtfertigen lässt und ob wir "Tiere" nicht gleichermaßen in die Moral mit einbeziehen müssen.

Ein Thema, bei dem es also nicht nur um dem moralischen Status von Tieren geht, sondern das gleichzeitig das Selbstbild des Menschen hinterfragt.

Diese Vorträge und Seminare halte ich an vor allem an Schulen, aber auch bei anderen Veranstaltungen - wo immer sich die Möglichkeit dazu ergibt. Ich komme gerne vorbei!

Der folgende Impulsvortrag gibt einen kurzen Einblick in das Thema:

Karuna, meine Schweinefreundin

Schweinefreundin Karuna

Kennen Sie ein Schwein persönlich? Ich meine: ein lebendes Schwein, nicht das Schnitzel auf Ihrem Teller. Die meisten von uns werden wohl mit „nein“ antworten. Dabei leben in Deutschland doch rund 24,7 Mio. Schweine zum Zweck der Fleischproduktion, darunter etwa 11,2 Mio. sogenannte Mastschweine, etwa 11,8 Mio. Jungschweine und Ferkel und rund 1,7 Mio. Schweine für die Zucht (Stand 2021). Wo sind sie alle?

Die meisten von ihnen vegetieren unter den Bedingungen der Massentierhaltung dahin, gezüchtet auf rasches Wachstum, gemästet auf 120 kg in sechs Monaten, in geschlossenen Stallsystemen auf Spaltenböden außerhalb unserer Wohngebiete, transportiert zum Schlachthof oft in den frühen Morgenstunden, häufig im Akkord unvollständig betäubt, erstochen und zerlegt hinter den dicken Mauern der Schlachthöfe.

Lebende Schweine sind in unserer Gesellschaft nahezu „unsichtbar“. Sähe man die Folgen der Qualzucht, das Leid der Muttersauen in den Kastenständen, die Hölle der Mastanlagen, Tiertransporte und Schlachthöfe öffentlich und „live“ (nicht nur in den TV-Berichten, von denen man sich wegzappen kann), würden unsere Verdrängungsmechanismen nicht mehr funktionieren und die Schnitzel nicht mehr schmecken.

Zwar ist mittlerweile gut bekannt, dass Schweine mindestens auf dem Entwicklungsstand unserer Haushunde stehen, lernfähig, sensibel, intelligent sind und sogar über ein gewisses Ich-Bewusstsein verfügen – auch die Schweine in den Mastbetrieben. Trotzdem ist unsere emotionale „Schranke“ zwischen „Haus“tieren und „Nutz“tieren noch hoch, - mit lebensentscheidenden Folgen für die jeweiligen Tiere.

Ich hatte das Glück, Schweine persönlich kennenzulernen, als die Erben eines mir bekannten Neben­erwerbbauernhofs im Frankenwald die Schweinezucht der Bäuerin beenden wollten. Sie haben sich mit den Tieren beschäftigt, sehen, dass sie – genau wie die Hunde und Katzen – spielen, ihre Umgebung erforschen, lernen, mit den Menschen Kontakt knüpfen und sich des Lebens freuen. Daher können sie es nicht mehr ertragen, dass diese witzigen und liebenswerten Wesen nach kurzem Leben zum Schlachthof gefahren werden. Sie sehen die Schweine nicht mehr unter dem tradierten Verwertungsaspekt, sondern als Individuen, zu denen man eine Beziehung aufbaut, wenn man sie versorgt und pflegt. Die drei Muttersauen und einige junge Schweine werden sie (nach Umbau des Stalles und der Freifläche) lebenslang behalten, versorgen und für sie eine schöne Umgebung auf dem Hof schaffen.

Schlimm war aber, dass nicht alle bleiben können. Das ist aus Platz- und Kostengründen schlicht nicht möglich, denn eine wirklich bedürfnisgerechte Haltung von Schweinen ist sehr anspruchsvoll. Schwer zu ertragen war nun die Vorstellung, dass die anderen Tiere im Schlachthof landen. Wir wollten möglichst alle davor bewahren. Bei der Rettungsaktion haben wir gemerkt: Es ist sehr schwer (fast unmöglich), Lebenshofplätze für Schweine zu finden. Von allen über zwanzig von uns angeschriebenen „Gnaden“- bzw. Lebenshöfen, die so genannte „Nutztiere“ aufnehmen, erhielten wir bedauernde Absagen, alle verfügbaren Kapazitäten seien erschöpft, die - insgesamt meist wenigen - Plätze für Schweine besetzt.

Eine Organisation allerdings hat uns ein Angebot gemacht, hinter dem ein interessantes Konzept steht: Mastanlagen zu Lebenshöfen!

Rüsselheim e.V. ist ein überregional arbeitender gemeinnütziger Verein, unter dessen Schutz bislang mehr als 2000 so genannte „Nutztiere“ (Rinder, Schweine, Schafe, Ziegen, Hühner, Gänse….) auf Pflegehöfen „bei qualifizierten Landwirten … ungenutzt und unbenutzt in artgerechtem Ambiente unter Artgenossen“ leben dürfen (www.ruesselheim.com/arbeit). Gleichzeitig wird dadurch diesen Landwirten, die bereit sind, umzudenken und nicht mehr der fleischproduzierenden Industrie zuzuarbeiten, ein regelmäßiges und gewaltfreies Einkommen ermöglicht, indem sie die Tiere auf Lebenszeit nach den Qualitätskriterien von Rüsselheim e.V. versorgen.

Es gelang, der Bäuerin 23 Schweine abzukaufen und sie in mehreren Transportfahrten zum Lebenshof bei Nördlingen zu bringen. Natürlich arbeitet Rüsselheim e.V. - wie Tierschutzorganisationen generell - auf Spendenbasis. Für einige „unserer“ Tiere konnten wir Paten (bzw. „Einsteller“) gewinnen, die zuverlässig monatlich Lebensunterhalt, medizinische Versorgung etc. finanzieren. Eines davon ist meine liebe Schweinefreundin Karuna. Für andere werden noch händeringend Paten gesucht (wie für viele weitere Tiere in der Obhut des Vereins).

Ich habe dabei gelernt:

1) Schweine sind faszinierende Wesen.

2) Wie wir sie im Allgemeinen behandeln, ist eine „Sünde“.

3) Wer „Tierschutz“ auf sie anwenden will, bewegt sich auf einem deutlich anderen Level als bei Heimtierschutz. Er trifft auf wenig Akzeptanz, hört selbst von Tierschutz-affinen Menschen: „Echt? Für Schweine soll ich etwas spenden? Naja, ich weiß nicht.…“ Er bewegt sich auf tiermedizinischem Neuland, da "alte" Schweine in unserer Gesellschaft nicht vorgesehen sind.

 

4) Der Aufwand ist immens. In größerem Stil wie bei Rüsselheim e.V., deren größte Rettungsaktionen über 200 Ferkel umfasste, geht es nur mit großen Anlagen und unter Einbezug von Fachleuten, sprich: Landwirten.

 

5) Hier bewegt man sich nicht mehr im gewohnten Tierschutzrahmen. Hier ist man endgültig bei der Frage nach Tierrechten angelangt: Sind wir bereit, ganz grundsätzliche Rechte auch für uns evolutionär nahestehende nichtmenschliche Mitgeschöpfe anzuerkennen? Gemeint sind das Recht auf Leben, auf körperliche Unversehrtheit und auf so viel Freiraum, dass sie ein Leben gemäß ihren Fähigkeiten, Bedürfnissen und Interessen führen können. Und sind wir bereit, in derselben Stellvertreterfunktion, wie wir sie für Menschen übernehmen, die es nicht allein können, auch solchen Tieren zu ihrem Recht zu verhelfen?

Ein Tier zu retten, verändert nicht die ganze Welt,

aber die ganze Welt verändert sich für dieses eine Tier.

...und so auch für Karuna und ihre Familie.

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